
Erster kleiner Rückschlag für die Ladies nach der knappen Niederlage gegen Frankreich. Doch unsere Expertin Anja Althaus sieht vielmehr die positive Seite, erklärt aber auch was den DHB-Mädels noch zur Weltspitze fehlt.
Was ist das für eine Europameisterschaft bisher! Auch nach dem zweiten Spiel kennt meine Begeisterung für das Spiel der deutschen Mannschaft kaum Grenzen. Aber auch die anderen Spiele der EM machen Lust auf mehr. Das Turnier ist so unberechenbar wie selten zuvor. Nach den olympischen Spielen und einer intensiven Saison ist es für viele Nationen und Spielerinnen zum Jahresende hin einfach schwer die gewohnte Leistung abzurufen. Gerade die schwachen Leistungen der Spanierinnen und Schwedinnen haben mich schon ein wenig überrascht. Für Nationen wie Deutschland, Serbien oder Slowenien ist das natürlich eine riesige Chance. Der Turnierverlauf ist meiner Meinung nach völlig offen. Ich bin gespannt wie Deutschland diese Gelegenheit für sich nutzen kann.
Misserfolg keine Schande
Niederlage gegen Frankreich hin oder her, es macht einfach wahnsinnigen Spaß den Mädels beim Spielen zuzuschauen. Man merkt, dass die Mannschaft einfach wieder richtig Lust am Handballspielen hat und bis zum Umfallen gemeinsam kämpft. Gerade die jungen Talente wie Julia Behnke oder Emily Bölk zeigen keine Angst und helfen dem Team schon jetzt extrem weiter.
Aus diesem Grund ist die Niederlage gegen Frankreich eher nebensächlich. Klara Woltering hat wieder einmal eine Wahnsinnsleistung vollbracht und auch sonst habe ich viel Positives im deutschen Spiel gesehen. Die Mädels haben wie schon gegen die Niederlande versucht ihr Ding durchzuziehen. Letzten Endes haben sie sich gegen ein Topteam wie Frankreich allerdings zu viele Fehler geleistet. Dennoch war es erfreulich zu sehen, dass man sich nie geschlagen gegeben und am Ende nur mit zwei Toren verloren hat. Für den weiteren Turnierverlauf ist das für den Kopf und die mentale Stärke enorm wichtig.
Was fehlt Deutschland zur Weltspitze?
Um gegen Nationen wie Frankreich in Zukunft als Sieger vom Platz zu gehen fehlt dem deutschen Spiel noch die letzte Konsequenz. Nach richtig guten Phasen schleichen sich oft zu viele technische Fehler und einfach Ballverluste ein, wodurch man den Gegner immer wieder kommen oder davon ziehen lässt. In solchen Situationen scheinen die Mädels gerade im Angriff noch etwas in Panik zu geraten und denken zu viel nach.
Aber diese Konstanz und Coolness wird gerade bei den jungen Spielerinnen mit der Zeit noch kommen. Genauso wie die Abgezocktheit in den entscheidenden Phasen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Diese Automatismen müssen sich erst entwickeln und das Vertrauen in die eigene Leistung muss noch wachsen. Kämpferisch kann Deutschland schon jetzt kaum jemand etwas vor machen.
Ein Plan für die Zukunft
Mit Michael Biegler hat das Team für die Zukunft meiner Meinung nach auch den richtigen Mann sitzen. Er weiß was er will, hat einen Plan und gibt dem Spiel der Mannschaft Struktur-jede Spielerin weiß was von ihr erwartet wird. Vor allem sein Auftreten in den Auszeiten gefällt mir sehr gut. Er behält stets die Ruhe und möchte, dass sich die Mädels für ihre Leistungen belohnen.
Die Frauen-Nationalmannschaft hatte auch in der Vergangenheit immer viel Potential und außerordentliche Spielerinnen, jedoch hat man diese Qualität viel zu selten in Resultate umwandeln können. Mit Biegler könnte das anders werden. Er hat schon jetzt in kürzester Zeit der Mannschaft Leidenschaft, Vertrauen und Glaube an sich selbst gegeben.
Polen-Spiel ein kleines Finale
Auch wenn das deutsche Team fulminant in das Turnier gestartet ist und bisher viele Handballfans überzeugen konnte, gegen Polen findet man sich zum ersten Mal in einer kleinen Drucksituation. Zuvor ist man in das Turnier ohne großen Druck gestartet. Das hat sich jetzt in der kurzen Zeit schon etwas geändert. Ich bin gespannt, wie die Mannschaft damit umgehen wird. Aber so wie sich die Mädels auch abseits des Platzes in Interviews geben, müssen wir uns da keine allzu großen Sorgen machen. Doch auch wenn Polen nicht optimal in das Turnier gestartet ist, darf man nicht vergessen: die Polinnen können sehr wohl Handball spielen. Deshalb freue ich mich bereits jetzt auf das nächste Spiel unserer Ladies.